"Entgegen der weit verbreiteten
Meinung, gesellschaftliche Modernisierung gehe mit dem Niedergang von
Religion einher, wird Religion in Europa auch zukünftig eine wichtige
Rolle spielen. Das erläuterte der deutsche Historiker Paul Nolte bei
einem Vortrag an der Universität Wien zur Frage "Wozu noch Religion in
Europa?" Die klassische Säkularisierungsthese greife zu kurz, so Nolte,
zu rechnen sei dagegen mit einem Fortbestehen der Religion in Europa.
Mehr noch brauche Europa die Religion geradezu, so Nolte, und zwar als
"zivilgesellschaftliche Ressource", als "Werte-Ressource" und
demokratisches Korrektiv.
Religionsproduktiv wirke etwa eine
zunehmende gesellschaftliche Unsicherheit: "Risikogesellschaften
generieren einen erhöhten Religionsbedarf als Antwort auf
Unsicherheiten", so Nolte. Darüber hinaus sei Religion aber auch eine
wichtige "zivilgesellschaftliche Ressource", insofern Religionen - dabei
vor allem das Christentum - bis heute "wichtige Triebkräfte für soziale
Veränderungen" und damit "Motor der Bürgergesellschaft" seien. Nirgends
gebe es etwa eine so hohe Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement
wie bei Mitgliedern von Religionsgemeinschaften.
Darüber
hinaus habe Religion insgesamt eine wichtige Bedeutung als
demokratisches Korrektiv: So konfrontiere Religion "als radikale
Infragestellung" die Demokratie mit dem "ganz-Anderen". Einen solcher
Standpunkt des "ganz-Anderen" biete die Möglichkeit, Zustände und
Entwicklungen zu kritisieren, ohne gleich in den Geruch der
Parteipolitik zu geraten, so Nolte.
Auch durch die "verstärkte
kulturelle Präsenz" des Islam und die damit einhergehende
"Pluralisierung von Religion" in Europa sei das Christentum in positiver
Weise gefordert und damit zukunftsfähig: denn der Islam bedeute dem
Christentum die Notwendigkeit, "sich aus der Defensive zu wagen, aus der
Nische, in der man sich eingerichtet hat". Aber auch der europäischen
Öffentlichkeit müsse man eine bleibend hohe "Sensibilität für Religion
und Glauben attestieren", so Nolte. Gerade etwa bei den ethisch heiklen
Fragen nach Lebensanfang und -ende merke man, dass Politik und
Öffentlichkeit nicht ohne Bezug auf religiöse Argumentationsmuster
auskämen." (Quelle: kathweb.at)
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