Mittwoch, 4. April 2012

Die Kirche und die Karwoche

Eine der wichtigsten Fragen für die Kirche in der aktuellen Zeit: "Findet Kirche in der Gesellschaft noch statt?" Häufig muss man diese Frage mit "Nein!" beantworten. In vielen Bereichen des Lebens, in der Öffentlichkeit fast überall kann man die Kirche kaum noch wahrnehmen, die Meinung ist oft nicht mehr gefragt, auch in moralischen Themen ist das Vertrauen in die Kirche durch die Vorfälle der vergangenen Jahre tief erschüttert.

Und doch gibt es immer wieder Tage, da ist Kirche modern, da findet sie auch in den Medien in breitem Umfang statt. In der Regel ist das rund um die großen Feiertage. Jetzt in der Karwoche ist es wieder soweit. Mehr Gottesdienste im Fernsehen, Meldungen in der Tagesschau (meistens in der Form, dass die wichtigsten Predigten der Kirche zusammengefasst werden oder Bilder vom Kreuzweg am Kolosseum oder von "Urbi et orbi"), dazu Filme mit religiösen oder pseudo-religiösen Themen und auch Talkshows, die sich um eher christliche oder kirchliche Fragen drehen.

Dass es aber eine sehr kirchenfeindliche Zeit ist, merkt man dann daran, dass die Talkshow nicht "Ostern" oder "die Karwoche" zum Thema hat, sondern eben genau oben aufgeworfene Frage: "Alle auf Sinnsuche - hat die Kirche noch Antworten?". Was ist da zu erwarten? Das übliche Bashing ist zu befürchten bei der Gästeliste. Matthias Matussek, ausgewählt, damit es "etwas kracht" in der Sendung, ein schöner provokanter Redner für die Kirche, den man dann schnell als Polemiker abtun kann, dazu eine Ordensschwester. Ihr Name ist mir unbekannt, hoffentlich kann sie sich gut verkaufen. Dann der Historiker Arnulf Baring vermutlich in der vermittelnden Rolle. Und dann die drei Kontras. Heiner Geißler, dessen Thesen in den letzten Wochen schon wieder viel Wirbel gemacht haben, der Autor Andreas Altmann, der gerade ein Buch geschrieben hat, um mit seinem ultrakonservativen Elternhaus aufzuräumen und die Psychotherapeutin Angelika Kallwass. Erst dachte ich, sie soll vermitteln, wenn Matussek und Geißler Kinnhaken verteilen, beim Lesen ihrer Biographie kommen mir aber Zweifel (mit 9 getauft, mit 16 ausgetreten). Lohnt das zu schauen? Neues kann man da doch vermutlich nicht erwarten.

Aber wäre es nicht für die Kirche eine Chance, die "Kirchenzeit" in den Medien mal effektiv zu nutzen? Die Frage nach dem "wie" ist natürlich nicht leicht. Mir fällt auch nicht viel ein. Glaubwürdigkeit müsste man gewinnen, ein eloquenter, medienaffiner Bischof beispielsweise. Der Name Woelki schwebt mir da im Kopf. Aber wie genau, weiß ich auch nicht.

Es muss aber etwas geschehen. Auch der jetzige nicht gerade vorzeigefähige Status Quo ist in Gefahr, erst recht, wenn neue anti-kirchlich eingestellte Kräfte wie die Piraten weitere Stimmen gewinnen sollten. Stanislaus von PolitischUnpolitisches hat schon drüber berichtet, wie bei denen wieder ein Katholikenbashing aus der Diskussion um die Karfreitagsfürbitte wird. In der Berliner Zeitung sagt Piratengeschäftsführerin Weisband: 
"Wir mobilisieren nicht gegen eine Religion, sondern dagegen, dass der Glaube Einzelner das Leben aller beeinflusst. Jeder Katholik kann beten und beschaulich sein. Aber wir möchten nicht, dass deshalb außerhalb ihrer Sichtweite Tanzverbot herrscht, und rufen alle, die unsere Sicht teilen, übers Internet zum Mitmachen auf. Das ist doch Widerstreit der Ideen und ganz normale Demokratie."

Da ist die Karfreitagsruhe plötzlich katholisch. Stanislaus hat einen bemerkenswerten und lesenswerten Beitrag geschrieben. Ich zitiere mal daraus:
"Es ist bemerkenswert, daß alles, was mit religiösen Ge- und Verboten in Verbindung gebracht wird, den Stempel "katholisch" trägt. Einerseits scheinen evangelische Christen aus Sicht der religiös abständigen Welt gar nicht mehr zu existieren. Religion scheint gleich katholisch zu sein. Dabei ist doch gerade die Ruhe am Karfreitag kulturell protestantischer Herkunft [...]. ich empfinde die Ruhe am Karfreitag als bereicherndes Geschenk des deutschen Protestantismus.
[...] Daß immer weniger Menschen in unserer Gesellschaft etwas mit den christlich-religiösen Festen und Jahreszeiten anfangen können, zeigt sich an allerlei Umdeutungen und Verselbständigungen ursprünglich christlichen Brauchtums, das nun paganisiert und verfälscht in unsere Kirche zurückkehrt. Ja selbst Katholiken registrieren kaum noch, daß man sich am Sonntag eigentlich kein "Schönes Wochenende" wünscht oder am "Ostersamstag" noch die letzten Vorbereitungen für das "Hasen-" oder "Eierfest" trifft.
[...] Das Problem ist nicht die Feiertagsruhe, sondern daß immer weniger die entsprechenden Festgeheimnisse verstehen oder sich dafür überhaupt interessieren."
 
Da trifft er meiner Ansicht nach genau den Kern der Sache. Also was nehmen wir mit in die Karwoche und ins Triduum 2012? Die Kirche hat eine Chance an diesen Tagen, sie muss sie aber auch zu nutzen wissen, denn sonst wird es noch enger in den kommenden Jahren. Und nein, dieser Text ist gewiss kein Aufruf zur absoluten Verweltlichung der Kirche und dem Mainstream-Mitschwimmen, ganz im Gegenteil. 

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