Donnerstag, 19. Januar 2012

Religion als demokratisches Korrektiv

"Entgegen der weit verbreiteten Meinung, gesellschaftliche Modernisierung gehe mit dem Niedergang von Religion einher, wird Religion in Europa auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Das erläuterte der deutsche Historiker Paul Nolte bei einem Vortrag an der Universität Wien zur Frage "Wozu noch Religion in Europa?" Die klassische Säkularisierungsthese greife zu kurz, so Nolte, zu rechnen sei dagegen mit einem Fortbestehen der Religion in Europa. Mehr noch brauche Europa die Religion geradezu, so Nolte, und zwar als "zivilgesellschaftliche Ressource", als "Werte-Ressource" und demokratisches Korrektiv.

Religionsproduktiv wirke etwa eine zunehmende gesellschaftliche Unsicherheit: "Risikogesellschaften generieren einen erhöhten Religionsbedarf als Antwort auf Unsicherheiten", so Nolte. Darüber hinaus sei Religion aber auch eine wichtige "zivilgesellschaftliche Ressource", insofern Religionen - dabei vor allem das Christentum - bis heute "wichtige Triebkräfte für soziale Veränderungen" und damit "Motor der Bürgergesellschaft" seien. Nirgends gebe es etwa eine so hohe Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement wie bei Mitgliedern von Religionsgemeinschaften.


Darüber hinaus habe Religion insgesamt eine wichtige Bedeutung als demokratisches Korrektiv: So konfrontiere Religion "als radikale Infragestellung" die Demokratie mit dem "ganz-Anderen". Einen solcher Standpunkt des "ganz-Anderen" biete die Möglichkeit, Zustände und Entwicklungen zu kritisieren, ohne gleich in den Geruch der Parteipolitik zu geraten, so Nolte.

Auch durch die "verstärkte kulturelle Präsenz" des Islam und die damit einhergehende "Pluralisierung von Religion" in Europa sei das Christentum in positiver Weise gefordert und damit zukunftsfähig: denn der Islam bedeute dem Christentum die Notwendigkeit, "sich aus der Defensive zu wagen, aus der Nische, in der man sich eingerichtet hat". Aber auch der europäischen Öffentlichkeit müsse man eine bleibend hohe "Sensibilität für Religion und Glauben attestieren", so Nolte. Gerade etwa bei den ethisch heiklen Fragen nach Lebensanfang und -ende merke man, dass Politik und Öffentlichkeit nicht ohne Bezug auf religiöse Argumentationsmuster auskämen." (Quelle: kathweb.at)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen